Es wird ja oft genug darüber geschrieben und nicht selten auch lamentiert: Immer häufiger finden Stoffe ihren Weg auf die Bühne, die aus anderen Kunsgattungen als dem Drama stammen. Romanadaptionen finden sich heute an praktisch jeder deutschen Bühne und auch Film erfreuen sich zunehmender Beliebtheit bei Regisseuren. Dimiter Gotscheff ist dabei so etwas wie ein Vorreiter: Nach seinem godard-Abend Die Chinesin an der Volksbühne stellt er nun schon sein zweite Filmbearbeitung dieser Spielzeit vor: Der Mann ohne Vergangenheit des großen finnischen Melancholikers Aki Kaurismäki.
Nun gibt es aber einen Grund, warum der Roman viel häufiger im Theater adaptiert wid als der Film. Film und Thater stehen sich viel näher als Theater und Roman, arbeiten sie doch mit einer Reihe der gleichen Ausdruckselemente: Die Verbindung als Bild und Text, Darstellung und zeitlich gebundener Erzählung, auch das Element des Schauspiels finden sich in beiden Gattungen. Schafft die Transponierung eines geschriebenen Textes auf die Bühne bereits automatisch etwas Neues, ist das bei Filmstoffen viel schwieriger zu bewerkstellen, sollen sie mehr sein als eine bloße Nachstellung der Vorlage.
Es gilt also, dem Stoff etwas Neues abzugewinnen, zusätzliche thematische Aspekte, eine andere Interpretation oder schlicht eine neue Erzählweise. Gotscheff hat das bei seinem Godard-Abend versucht, in dem er den Film als Ausgangspunkt einer collagenhaften Auseinandersetzung mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen und generell der Möglichkeit, Unmöglichkeit und Sinnhaftigkeit revolutionären Handels genommen hat.
Bei Kaurimäkis Stoff fiel ihm leider nur wenig ein. So kippt er die Geschichte ins Komische. Wo Kaurismäki auf die stille Ironie der nicht selten absurden menschlichen Existenz setzt findet Gotscheff brachialere Komik bis hin zu Slapstickhaften. Das funktioniert teilweise ganz gut, etwa wenn die Figuren saunieren, ihre die Saunen andeutenden Stofftaschen öffnen und erst einmal Dampfwolken über die Bühne wabern. Andere Male jedoch kollidiert der simple Slapstick ungebremst mit der stoischen Lakonik Wolfram Kochs und bringt beide zu Fall.
Ohnehin krankt der Abend an seiner Uneinheitlichkeit. Während Koch ganz nah an Markku Peltolas stoischer Lakonik bleibt, lädt Almut Zilcher ihre Irma mit einer viel zu lauten, überdeutlichen, fast agressiven Nervosität auf, die jegliche Annäherung beider Protagonisten zur bloßen Behauptung verkümmern lässt. hat Katrin Brack eine Bühne gebaut, die gewollt antinaturalistisch ist und den Containerpark mit den bereits erwähnten bunten Riesenstofftaschen ersetzt, erzählt Gotscheff die Geschichte streng chronologisch herunter. Wo die Bühne also die Emanzipation von der Filmvorlage sucht, biedert sich der Erzählstil jener wiederum an. Zudem geraten Gotscheff die Figuren, zu holzschnittartig eindimensional, was zum Slapstickhaften passt, die für Kaurismäki charakteristische Mischung aus Melancholie und leider, verschämter Hoffnung, die vor allem Koch verkörpert, über weite Strecken erstickt.
Zudem trägt Gotscheff dick auf, wo Kaurismäki nur andeutet. Immer wieder eingeschobene Bibelzitate und kirchliche Gesänge sollen wohl Irmas Rolle als Heilsarmistin betonen, vor allem aber den Aspekt einer Wiederauferstehung, der sich auch bei Kaurismäki findet. Gotscheff tut beides mit dem Holzhammer und nimmt ihm dadurch viel von seiner Wirkung.
Und so plätschert der viel zu lange Abend dahin, bietet ein paar schöne Tableaus, etwa, wenn Irma und der namenlose Protagonist nebeneinadnersitzen, zaghaft Zukunftspläne entwickelt und die anderen Figuren es ihnen nachtun, jeder für sich. Das sind jedoch nur Momente, bevor das Stück wieder auseinanderbricht und träge dahinkriecht, ohne roten Faden und ohne die Frage zu beantworten, warum diese Inszenierung überhaupt entstanden ist. Und so ist auch das Schlussbild, bei dem Irma und der sich seiner Identität wieder bewusste Protagonist nebeineinander sitzen und in die (gemeinsame?) Zukunft schauen, ein passendes Bild für den gesamten Abend. Lädt Kaurismäki dies noch auf mit Sehnsucht und Hoffnung, tut sich bei Gotscheff gar nichts. Da sitzen die beiden einfach nur nebeneinander. Sonst nichts.
December 19, 2010
Aki Kaurismäki: Der Mann ohne Vergangenheit, Deutsches Theater, Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
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