March 08, 2011

Thomas Bernhard: Einfach kompliziert, Berliner Ensemble (Regie: Claus Peymann)

Bernhard, Peymann, Voss: Das war einmal der Gipfel deutschsprachiger Theaterkunst. Heute ist Bernhard über 20 Jahre tot, Peymann gilt zunehmend als eifernder Hohepriester des Theaterkonservatismus und Gert Voss, dem Bernhard einst ein Stück mit seinem Namen im Titel schrieb (Ritter, Dene, Voss) ist ein alternder Mime, noch immer mit grandiosem Können gesegnet, aber im Herbst seiner Karriere. Wie viel vom alten Zauber ist noch da? Die Frage drängt sich auf bei dieser Konstellation, zumal Karl-Ernst Herrmann für die Bühne verantwortlich zeichnet - wie bei vielen von Peymanns zum Teil legendären Bernhard-Uraufführungen.

Wenn sich der Vorhang hebt (so etwas Altmodisches gibt es am BE tatsächlich noch), wird schnell klar, das von Zauber kaum die rede sein kann. Zu sklavisch orientiert sich die Inszenierung an der Textvorlage, deren Bühnenbildanweisungen sich detailliert wiederfinden lassen: das ganze schäbige Zimmer der Vorlage mitsamt aller Möbelstücke und Requisiten. Nur der Viertelkreis, den die linke Wand bildet, verrät ein wenig Abkehr vom Naturalismus und so etwas wie künstlerische Kreativität, mehr erlauben sich Peymann, Voss und Herrmann in Ehrfurcht vor Bernhard, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre (Korrektur: Bernhard wäre natürlich erst 80).

Einfach kompliziert  ist  ein Ein-Personen-Stück, mit Ausnahme einer Episode in der zweiten Szene, in der ein kleines Mädchen als Botin, als Repräsentatin der Außenwelt eintritt. Voss spielt einen alten Schauspieler, der sich in seiner Wohnung verschanzt hat, von der Außenwelt nichts mehr wissen will und die Triumphe wie die Niederlangen seiner Vergangenheit durchlebt, durchleidet, sich an ihnen reibt und abarbeitet. Assoziationen zu Beckett entstehen automatisch und sind wohl auch gewollt. Selbst das tonbandgerät aus Becketts Ein-Personen-Stück Krapp's Last Tape finde sich wieder.

Allerdings fällt der Vergleich zu Beckett nicht vorteilhaft für Bernhards Stück aus. Sind Becketts Figuren Verlorene, Umherirrende in einem verlassenen Universum, in dem vielleicht nur noch sie existieren, deren Existenz ebensowenig gesichert scheint, ist Bernhards Protagonist eben nur ein alternder Mime, der sein eigenes Boulevardstück mit sich selbst spielt. Wo der Junge in Waiting for Godot die Existenz der außenwelt nicht bestätigt, sondern durch die Wiederholung seines erscheinens nur noch mehr in Frage stellt, ist Bernhards Katharina ganz von dieser Welt, ist das Vorhandensein einer "normalen" Welt, eines da draußen nie fraglich. Wo Beckett die großen Menscheitsfragen thematisiert und unserer Existenz bis an ihren Kern folgt, verhandelt Bernhard eben nur, wie so oft, ein Schauspieler-, ein Theaterdrama.

Natürlich macht es Spaß, Voss zuzuschauen, wie er alle Nuancen seiner Figur auskostet, wie er das Pianissimo ebenso beherrscht wie den großen Ausbruch, und doch schleicht sich ein Gefühl der Routine ein, scheint wiederholt der Schatten des großen Minetti, dem Bernhard die Rolle auf den Leib schrieb, sich ber die Bühne zu legen.

Es ist ein Second-Hand-Spiel, wie die ganze Inszenierung aus zweiter Hand zu sein scheint. Nichts wird der Vorlage hinzugefügt, eine Interpretation, gar eine Hinterfragung findet nicht statt, die Frage der Relevanz dieses Stückes wird nicht gestellt. Und so ist der Abend ein Abglanz nur einer großen Epoche des deutschen Theaters, eine fahle Kopie eines verblassenden Bildes aus einer anderen Zeit.

2 comments:

  1. Lieber Prospero,
    sehr treffende Kritik zu Peymanns Inszenierung, der nun doch tatsächlich das BE zum Bernhardmuseum umfunktioniert hat, um sich selbst zu feiern. Allerdings tut er dies zum 80sten Geburtag von Thomas Bernhard. Es ist daher sehr fragwürdig, ob der dies gut heißen würde, wenn er noch unter uns weilen könnte.
    Grüße Ihr Stefan

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  2. Lieber Stefan, da habe ich den guten Bernhard älter gemacht, als er war/ist. Was die Hoffnung lässt, sein 100. werde seiner Bedeutung angemessener begangen.

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