Tschechow ist "in". Ob Gotscheff, Thalheimer oder der viel zu früh verstorbene Jürgen Gosch: An Tschechow kommt das deutschsprachige Theater derzeit nicht vorbei. Ein Theater der Krise, ein Theater des Stillstands und des bevorstehenden Endes. Und doch ist ein anderer "Endzeitler" der andere, heimliche dominierende Geist dieser Spielzeit: Samuel Beckett. Hat zunächst Thalheimer Brechts (ein anderer derzeitiger "In"-Autor - welches Theater hat seine Johanna in dieser Spielzeit eigentlich nicht inszeniert?) Puntila in einen Hamm oder Pozzo verwandelt, inszeniert Gotscheff jetzt Tschechow als Endspiel.
Die zugrundeliegende Erzählung ist nur der Rahmen, Gotscheff präsentiert eine geschlossene Gesellschaft des Tschechowchen Figuren-Universums, gestrandet in einer letzten Enklave einer endzeitlichen Welt. Das Irre, Andere, Ausgestoßene wird zum Drinnen, die Welt zum Draußen. Aber ist da überhaupt noch etwas oder sind die zunehmend eingeschlossenen allein? Und ist es überhaupt wichtig?
Noch ein Beckettsches Element: Es findet keine Handlung mehr statt, ja keine Interaktion. Wie die körperlosen Köpfe in Becketts Play ergehen sie sich in Monologen, einen Austausch gibt es nur noch rudimentär, zum Ende erstirbt er ganz. Das wäre pessimistisch und doch nur ein konsequentes Zu-Ende-Erzählen der Tschechowschen Welt. Und doch ist nicht alles verloren: Die Tschechowsche Ironie und Gotscheffs leiser Humor, der von Beckett und Müller stammt, sind noch da und mit ihnen so etwas wie Hoffnung?
Eine spannende Inszenierung, die handwerklich und dramaturgisch nahezu perfekt und schauspielerisch atemberaubend ist und die trotzdem nie wirklich berührt.
April 06, 2010
Anton Tschechow: Krankenzimmer Nr. 6, Deutsches Theater, Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
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