Mit Skandalstücken ist das so eine Sache: Was bleibt, wenn der Skandal vorüber ist, wenn die damals gebrochenen Tabus längst vergessen sind, wenn, was damals schockierte dies heute nicht mehr vermag? "Gerettet", 1967 uraufgeführt und kurz darauf verboten, ist so ein Stück. Benedict Andrews hat es in Berlin auf die Bühne gebracht und er hat einen ungewohnten Weg gewählt: Er inszeniert das Stück mit leichter Hand und bringt das lange verschüttete komische Potenzial so mancher Szene zum Vorschein. Möbelstücke werden hin- und her geschoben, die Protagonisten Len und Pam vergnügen sich so ungezwungen wie ungelenk auf dem Sofa, ein Ruderboot wird über die Bühne gezogen - gerade die erste Hilfe verrät eine Leichtigkeit, wie sie der tastenden Identitätssuche der Protagonisten entspricht.
Um so brutaler brechen die Wolken herein, um so drastischer ist der Bruch, wenn aus Unschuld und Hoffnung Apathie, Abstumpfung, Verzweiflung wird, die sich in blindem Hass entlädt. Dass der Abend über weite Strecken funktioniert, ist der urückhaltenden Regie Andrews ebenso zu verdanken wie den starken Darstellern. allen voran die Pam der Marie Rosa Titjen, schwankend zwischen rebellischer Neugier und verzweifelter Hilflosigkeit, und Stefan Sterns Lenny, schüchter, hilflos, auf der Suche nach Geborgenheit, ein tastender Blinder, der am Ende in Regungslosigkeit erstarrt. Auch das Elternparr, Steffi Kühnert und Thomas Bading, überzeugen zwischen Clownerie undhasserfüllter Leere.
Leider hält Andrews die Leichtigkeit nicht durch und das zeigt sich vor allem in der Schlüsselszene, in der Pams Baby aus Langeweile zu Tode gefoltert wir und die damals zum Verbot führte. Plötzlich setzt eine aufdringliche Lichtregie ein, erhält die Szene eine starre Choregrafiert, wird mit Verlangsamen und Standbildern gearbeitet. Dies soll die Szene abheben und das tut es, aber wohl nicht wie intendiert. Der plötztliche Aufwand rückt das geschehen weit weg vom Zuschauerund minimiert die Wirkung. Der Fluss ist gebrochen, die Charaktere ebenso, die Fäden kommen nicht mehr zusammen, die Dramaturgie fragmentiert sich. Plötzlich findet sich der vorherige Rhythmus nicht wieder. Das ist folgerichtig, schließlich sind auch die Charaktere nach diesem Grenzübertritt nur noch Fragmente. Und doch ist diese Szene ein Fremdkörper, gegen den der rest der Inszenierung ankämpft.
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