Schimmelpfennig inszeniert Schimmelpfennig: Nach dem Tod Jürgen Goschs legt der Autor nun selbst Hand an bei der Uraufführung seines neuesten Stückes, das zur Krisenthematik des diesjährigen Theatertreffens passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Die Schattenseiten der Globalisierung sind es, die Schimmelpfennig hier umtreiben: Prostitution, Menschenhandel, das Schicksal illegaler Einwanderer, aber auch die Einsamkeit und Verlorenheit moderner Städtebewohner. Assistiert wird er von Bühnenbilner Johannes Schütz, ein Weggefährte Goschs, der eine weiße leere Bühne gebaut hat, nur mit ein paar Stühlen und Requisiten, vor allem, Kleidungsstücken, eine netrale Projektionsfläche für die vielen Episoden, Figuren und Themen des Stücks.
Themen, die schon eine gewisse Schwere mit sich tragen, zumal die Dialoge, oder besser der den Figuren in den Mund gelegte Text, nicht zu sen Stärken des Stücks gehören, ebenso wenig wie die Geschichte selbt, würde man sie linear erzählen. Da ist er wiede, der elende Arme, der vom System, in dem er lebt, leben muss, niedergedrückt wird. Da ist der moderfne mensch, unfähig der Bindung, allein gelassen von allen, dessen einziges Ventil die Gewalt gehen die Mittel- und Rechtlosen. Das ist nicht originell, zeitweise ermüdend, zum Teil sogar ärgerlich plump, wie der alte Mann, der lamentiert, er möchte wieder jung sein.
Was Stück und Inszenierung davon abhält, sind mehrere Faktoren. Einiges ist bereits vom Autor angelegt: So elerbt hier die Brechtsche Verfremdung eine Renaissance. Die Darsteller sprechen nicht nur den Text der Figuren, sondern auch die regieanweisungen, sie beschreiben die Szene und den Ort, erzählen Teile der Handlung. Das schafft eine gewisse Distanz, bricht die Schwere des Dargestelten ironisch und nimmt jeden Zwang zum Realismus. Auch der schnelle Szenenwechsel, die fragmentarische Form der Szenen sorgt für Brüche, die Raum für Reflexion und Interpretation geben. Die virtuos eingebundene Parabel von der Grille und der Ameise tut ein Übriges.
Auch der Regisseur Schimmelpfennig leistet seinen Beitrag: Er inszeniert das Stück leicht, spielerisch, gibt seinem großartigen Ensemble Raum zum lustvollen Spiel, auch zur Karikatur. Jedem der fünf Darsteller sind mehrere Figuren zugeordnet, der Rollenwechsel geschieht mittels simpler Accessoires, auch dies immer wieder ein Anlass für Gelächter.Es ist eine Versuchsanordnung, eine Abfolge von Experimenten, mit Experimentierenden, denen man den Spaß ansehen kann.
Und doch bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Das schwere, ernste, humorlose Sujet, die zum Teil schmerzhaft platten Klischees - sie passen nicht so recht zur handwerklich perfekten und äußerst unterhaltsamen Machart der Inszenierung. Denn diese nimmt dem Stück nicht nur den erhobenen Zeigefinger und den bitteren Ernst, sie neutralisiert diese. Und so fragt sich der Zuschauer am Ende, wo denn der Erkenntnisgewinn liegtnach diesen durchaus äußerst unterhaltsamen und kurzweiligen eineinhalb Stunden.
Und so bleiben vielleicht nur einzelne Momente und Bilder, die die polierte Oberfläche durchbreche. Der verlorene Blick der von der Ameise misshandelten Grille, die Stewardess, die den in ihrer Suppe gefundenen Zahn in den Mund nimmt, um irgendeine Form von Nähe zu spüren, der berührende Monolog des toten Chinesen über seine Heimreise. Vielleicht ist das auch gar nicht so wenig.
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