June 02, 2010

Theatertreffen 2010 - Dennis Kelly: Liebe und Geld, Thalia Theater Hamburg (Regie: Stephan Kimmig)

Dennis Kelly gehört derzeit, gerade auch in Deutschland, zu den meistgespielten britischen Autoren. Nach jeder Inszenierung, jedem neuen Stück, stellt sich jedoch immer lauter die Frage, warum das so ist. Kellys Texte sind oft nicht viel mehr als Skizzen, Handlung und Dialoge nicht selten plakativ, die Figurenentwicklung im besten Fall rudimentär vorhanden.

Bei "Liebe und Geld" ist das nicht anders. Da geht es, passend zum Thema des diesjährigen Theatertreffens, um den im Titel annoncierten Gegensatz. Jess, eine kaufsüchtige Ehefrau, hat sich umgebracht, David, ihr Mann, hat nachgeholfen. Erzählt wird die Geschichte durchaus souverän episodenhaft in mehreren Zeitsprüngen.

Das Niveau dieser Episoden ist dabei äußerst uneinheitlich: So sind die Ein- und Ausgansszenen äußerst eindringlich sind, da sich in ihnen der titelgebende Gegensatz aus den von den Protagonisten mehr erzählten als gespielten Geschichten ergibt. Da lässt sich der Ehemann von einer neuen Bekanntschaft seine Vorgeschichte in allen erschütternden Details abringen, da erzählen Jess' Eltern, wie sie das prunkvolle Grabmal neben dem Grab ihrer Tochter zerstört haben, weil sie es als Herabwürdigung ihrer Tochter empfanden, da kommt schlussendlich Jess selbst zu Wort, in ihrer Sehnsucht, Verzweiflung und Hilflosigkeit.

Da bricht der existenzielle Konflikt, der im Titel angelegt ist, unmittelbar hervor, weil er aus den Figuren und ihrem Schicksal erwächst und dieses bestimmt. Kimmig inszeniert das sehr zurückhaltend und gibt dem ausgezeichneten Ensemble genug Raum, diese existenzielle Bedrohung auszuspielen. Kimmig und seinen Darstellern gelingt es hier, eine Unmittelbarkeit zu schaffen, die den Zuschauer nicht kalt lässt.

Dem stehen jedoch andere Szenen gegenüber, die plakativ den Gegensatz illustrieren, mit Figuren, die Abziehbilder bleiben, und Geschichten, die in ihrer Plumpheit aus einer TV-Seifenoper stammen könnten. Das führt zu einer langen, quälenden Dursstrecke, die dem Stück jede Balance nimmt.

Am Ende bleibt eine gewisse Kälte und Leere, auch eine Beliebigkeit, die auch Kimmigs Regie nicht verschont. Die plakativen, karikierenden Szenen inszeniert er mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie die starke, psychologisch stimmige Rahmenhandlung. Das entwertet diese und führt dazu, dass der Zuschauer irgendwann das interesse verliert.

Auch der Kimmig-typische Gerüstkubus (Bühne wie meistens: Katja Haß), der eine Wohnsituation andeutet, ist letztlich auswechselbares Versatzstück und trägt nichts zuir Wirkung der Aufführung bei. So bleiben starke Darstellerleistungen (Daniel Hoevels und vor allem Susanne Wolff) und ein paar berührende Szenen, die andeuten, was eine kritischere Inszenierung aus diesem sehr uneinheitlichen Stück hätte machen können.