March 08, 2011

Nicolas Stemann: Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! Deutsches Theater Berlin (Regie: Nicolas Stemann)

Ums Aufhören soll es gehen an diesem Abend, das wird schnell klar. Zu Beginn steht da Margit Bendokat im glitzernden Showkleid und liest eine Geschichte von einem Mann, der aufhören will. Danach kommen Regisseur Stemann und seine Musiker auf die Bühne und spielen einen Song, den letzten, anschließend soll Schluss sein. Eine Zugabe lassen sie sich noch abringen, das war es dann aber, macht Stemann energisch deutlich. Natürlich war es das nicht, aber der Grundton des neuen Stemann-Abends ist angestimmt. Schluss sollsein, Schluss mit den ewig gleichen Theaterritualen, mit dem Erwartbaren und dem Erwarteten, Schluss vor allem mit dem "Terror der Sinnproduktion", wie es später heißt.

Sinn, so schreit und singt uns der Abend entgegen, hat hier nichts zu suchen, ein Theater wird suggeriert, dass sich dem Zwang, immer neue Sinnzusammenhänge, Bedeutungsmuster und Interpretationsansätze schaffen zu müssen, entzieht. Liedchen zwischen Albernheit und feinerem Humor, launische Geschichten,  kurze skizzierte Spielszenen erzählen vom Schlussmachenwollen - wie die vom Flugbegleiter, der die sprichwörtliche "Schnauze voll hat", sich drei Bier greift und über die Notrutsche verschwindet, und dessen Geschichte Stemann zum Schluss in einem grandios-witzigen Country-Song verarbeitet. Und auch aktuelle Ereignisse (Guttenber!) finden ihren Niederschlag.

Natürlich ist das selbstreferentiell, thematisiert Stemanns Theater sich selbst und seine Obsession mit Sinn und Bedeutung. Das ist gelingt manchmal mehr (wie im Dialog mit Herrn Friedrichstadtpalast auf der großen, auf einen Bretterturm aufgesetzten Showtreppe), manchmal weniger gut (wie in den Szenen gehetzter von Selbstzweifeln zerfressener Schauspieler). Der Abend hat seine Schwächen, wenn er zuviel auf einmal will, wenn die Drehbühne kreist, mehrere Szenen, von der Videokamera aufgenommen, gleichzeitig spielen, in Miniaturhäusern oder einer Diskoecke. da brennt Stemanns Hang zum Multimedialen mit ihm durch, da packt er die Bühne voll, bis das Ganze droht, bleischwer zusammenzustürzen.

Doch es gelingt Stemann immer wieder, die Bremse zu ziehen. Wiederholt fällt der Vorhang, bleibt nur der vordere Teil der Bühne mit einer Konzertanordnung, wird elesen und rezietiert, vor allem aber immer wieder gespielt und gesungen. Stemann ist viel zu klug, um nicht zu wissen, dass Sinnfreiheit Behauptung bleiben muss, dass die gezielte Ablehung von Bedeutung ebendiese produziert. Doch er ist kein Pollesch, der jetzt einen furiosen Diskurs inszenieren würde, er lässt den Abend geschehen, er lässt auch seinen inhärenten Widerspruch stehen und gewinnt eben dadurch eine betörende Leichtigkeit.

Denn am Ende ist das Unterhaltung und soll es auch sein. Friedrichstadtpalast oder DT - das ist nicht das Gleiche, aber eben auch nicht so weit von einander entfernt, wie man gemeinhin glauben machen will. "Reicht das fürs Theater?", singt Stemann einmal, und: "Reicht das fürs DT?" Ja, möchte man rufen, tut es! Und verlässt das Theater mit einem Lächeln auf den Lippen. "Ist das denn schon Kunst hier?" Vielleicht, vielleicht nicht. Wirklich wichtig ist das aber nicht.

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