April 08, 2011

Nis-Momme Stockmann: Die Ängstlichen und die Brutalen, Deutsches Theater Berlin/Kammerspiele (Regie: David Bösch)

Es dauert lange, zu lange, bis dieser Abend in Fahrt kommt. Die Ängstlichen und die Brutalen, das 2010 in Frankfurt seine Uraufführung feierte, ist Nis-Momme-Stockmanns Debüt auf einer der beiden Hauptbühnen des Deutschen Theaters - mit seinem Erfolgsstück Kein Schiff wird kommen war sewrneue deutschsprachige Dramatiker-Star bisher nur in der DT-Box präsent. David Bösch inszeniert, Christoph Franken und Werner Wölbern spielen die beiden Rollen in diesem Zwei-Personen-Stück.

Zwei Brüder finden ihren Vater tot im Sessel vor. Ratlos, was zu tun ist, entspinnt sich ein Machtkampf der zwei, in dem alte Ängste aufbrechen, neue hinzukommen, alte Gewissheiten in sich zusammenstürzen, Machtverhältnisse sich verschieben. Das beginnt als Slapstick-artige Komödie, in der die Protagonisten daran scheitern, sich vom toten Vater würdevoll zu verabschieden. Im zweiten Teil entwickelt sich ein Familiendrama zwischen den ungleichen Brüdern, dem dominanten, agressiven Eirik und dem sensiblen, träumerischen, tiefsinngeren aber auch hilfloseren Berg. Schließlich endet das Stück als existentialistisches Drama, das die im Titel angedeuteten Themen durchspielt und die entscheidende Sinnfrage stellt.

Die Herausforderung besteht darin, das Stück zusammenzuhalten, ohne die unterschiedlichen Teile zu stark zu verwischen. David Bösch gelingt das nicht, vor allem, weil er dem Stück, seiner Dynamik, ja, seinem nicht zu unterschätzenden Sog nicht zu trauen scheint. Schon im ersten, komödiantischen Teil tritt er kräftig auf die Bremse, was in hölzern-schwerfälligen Dialogen resultiert, die den einen oder anderen Lacher hervorrufen, das Absurde der Situation jedoch völlig ignorieren. Die Handbremse bleibt das ganze Stück über angezogen. So bleibt das ebenso platt wie nur mäßig komisch, dass Stockmann hier die großen Themen späterer Szenen bereits angelegt, wird weitgehend ausgeblendet.

Darunter leidet das ganze Stück, bezieht es doch einen Großteil seiner Dynamik daraus, dass die einzelnen Teileeben nicht für sich stehen, sondern immer auch das Folgende enthalten. So ist der nun entsteende Konflikt der Brüder zwar nicht völlig überraschend, wirkt aber in seiner Intensität seltsam plötzlich und unmotiviert.

Das gilt noch deutlich stärker für das Kippen ins Existentialistische, in die große Auseinandersetzung über die Angst, den Tod, ihre Rollen im Leben und den Sinn, trotz der Unausweichlichkeit des Todes leben zu wollen oder zu müssen. Das ist schon bei Stockmann zum Teil plakativ angelegt, hart an der Grenze zum Phrasenhaften. Bösch überschreitet die Grenze, auch weil er eben zuvor das Fundament nicht gelegt hat, das diese Wendung plausibel machen könnte.

hinzu kommt, dass der vorher mühsam aufgebaute Gegensatz der beiden Charaktere plötzlich weitgehend negiert wird. Was der eine sagt, kann auch vom anderen kommen. Der finale Gewaltausbruch steht daher, anders als im Text, auf tönernen Füßen, ohne dramatische Berechtigung und vor allem ohne Aussagekraft.

So bleibt eine Inszenierung, die das Crescendo des Stücks fragmentarisiert, die existentiellen Fragen des Textes nicht stellt, sondern sie selbst anzweifelt, der Abend eines Regisseurs, der sich sichtbar mit dem Stoff nicht wohlfühlt. Ein großes Fragezeichen, unentschlossen und blutleer.

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